Inselnovelle
Von Dämonen gelähmt
Mindener Autor Christoph A. Marx hat eine „Inselnovelle“ geschrieben
Von Reinhard Brockmann
MINDEN (WB). „Gestrandet auf dem Nil“, „Epidemie unter Pharaos Erben“ oder auch „Hexenjagd am Tempel der Satis“. Christoph Andreas Marx hätte seiner jüngsten Erzählung durchaus einen hysterischen Buchtitel verpassen können. Aber der Mindener Schriftsteller (63) bescheidet sich mit „Inselnovelle“.
Ein philosophisches Quintett aus Weltenbummlern sitzt auf der berühmten Insel Elephantine bei Assuan fest. Hier markieren seit knapp 5000 Jahren prachtvolle Tempel und Nilometer (Wasserstandmesser) Altägyptens südliche Grenze. Eine geheimnisvolle Krankheit schleicht um die Welt. Unheilbar, unaufhaltsam. Mehr Hörensagen als Wissen. Furcht untergräbt die Zwangs-WG von Felix, Toshiko, Mike, Gino und der sensiblen Samantha.
Am Ufer des trägen hier bis zu 900 Meter breiten Nil, wo die Zeit still steht, häufen sich zunächst schwer zu deutende Ereignisse – den Hieroglyphen gleich. Nicht einmal fallen die Schlüsselbegriffe „Covid“ oder „Corona“. Allein die nubischen Nachbarn sprühen nachts das Wort „Virus“ an das blendend weiße Gasthaus der damit gebrandmarkten Rucksacktouristen.
Der Autor und Mindener Gymnasiallehrer setzt seine Punkte still und allgemein- gültig. Das Verhalten der Dorfbewohner, die rationale, mitunter auch naive Denke der fünf Wohlstandskinder und die Rahmensetzung durch Tempelbezirke und Ausgrabungen wecken Ahnungen. Sollten Menschen losgelöst vom konkreten Ort über alle Zeiten gegenüber einer nicht fassbaren Bedrohung in das stets gleiche Muster verfallen? Sind Fremde per se die Transporteure des Bedrohlichen? Das Irrationale übernimmt, wenn der Verstand von Dämonen gelähmt wird. Wo bleibt die Schärfe der Logik?
Die Auflösung des Gedankengewirrs, die hier nicht verraten wird, steigert sich zu höchster Gefahr ins panisch Verzweifelte. Aber sie ist auch so kühl, konsequent und banal, dass es sich anfühlt wie die Schulglocke am Ende einer Philosophiestunde.